Coronavirus-Sonderteil: Impfung vs. Mutation

13.06.2021
Täglich steigende Impfraten, sinkende Neuinfektionszahlen, umfangreiche Lockerungen der epidemiologischen Maßnahmen in den Bereichen Gastronomie, Kultur und Freizeit bei uns und im Ausland.

All das lässt darauf hoffen, dass wir nun, nach einem sehr anstrengenden Jahr, wenigstens in einem Teil der Welt das Coronavirus unter Kontrolle gebracht haben.

Eine entscheidende Rolle dabei spielte und spielt auch in Zukunft die Impfung. Und damit stehen wir vor einer Reihe von Fragen. Wie wirksam sind die zugelassenen und eingesetzten Impfstoffe tatsächlich? Wirken sie auch gegen die neuen Mutationen des SARS-CoV-2-Virus? Ich habe mir daher eine Zusammenfassung der neuesten Erkenntnisse und zugänglichen Studien für Sie vorbereitet.

Einleitend sei daran erinnert, dass in Tschechien ausschließlich ordnungsgemäß getestete und zugelassene Corona-Impfstoffe verabreicht werden. Alle diesbezüglich notwendigen Informationen habe ich Ihnen Anfang des Jahres in einem sechsteiligen Corona-Special präsentiert – lesen Sie dort nochmals nach, wenn Sie Ihren Wissenstand auffrischen möchten.

WIE MUTATIONEN ENTSTEHEN

Während der Mensch bei dem Wort „Mutation“ meist an etwas Unnatürliches denkt und dieser Begriff eher negativ konnotiert ist (es sei denn, Sie sind ein Fan von Superhelden), ist das Mutieren ein bei Viren ganz natürlicher Vorgang.

Die Hauptursache für diesen Unterschied sind die unterschiedlichen Bausteine des menschlichen und viralen genetischen Codes. Auf der einen Seite haben wir die menschliche DNA, die relativ stabil ist, und ihre innere Integrität stellt sicher, dass sie bei einer versehentlichen Änderung im Replikationsprozess, d. h. beim Kopieren eines Moleküls, diese sofort korrigiert und in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt. Die RNA, die die genetische Information eines Virus bildet, ist diesbezüglich wesentlich chaotischer. Daher kommt es relativ häufig vor, dass Viren von Generation zu Generation mutieren. Geringfügige Änderungen haben oftmals überhaupt keine Auswirkung auf das Verhalten und die Eigenschaften eines Virus.

Entwickelt sich jedoch eine stärkere Mutation, die sich beispielsweise schneller ausbreitet, dann ist davon auszugehen, dass diese Mutation verstärkt auftreten wird. Das gilt insbesondere, wenn das Virus eine große Anzahl an Wirten vorfindet – im Fall von SARS-CoV-2 sind das nicht immune Menschen. So kann es sich wesentlich besser vermehren und stärker ausbreiten, was wiederum dazu führt, dass sich eine solche aggressivere Form des Virus leichter durchsetzen kann. Und es ist die höhere Infektiosität neuer Coronavirus-Mutationen, die dazu führt, dass sich weitere Wellen ausbreiten können. Die gute Nachricht ist, dass wir derzeit keine eindeutigen Hinweise darauf haben, dass deutlich gefährlichere Varianten in Umlauf wären. Die schlechte Nachricht ist, dass sich Varianten deutlich schneller ausbreiten können und dass einige von ihnen einen etwas längeren Krankenhausaufenthalt erforderlich machen können. Damit lassen sich möglicherweise die neuerlich steigenden Infiziertenzahlen und die schweren Krankheitsverläufe, beispielsweise in Großbritannien und insbesondere unter der ungeimpften Bevölkerung, in Zusammenhang bringen. Gleichzeitig muss gesagt werden, dass sich die meisten Wissenschaftler derzeit darüber einig sind, dass eine Impfung der beste Weg aus der Krise ist, da das Virus nur so an seiner Ausbreitung und weiteren Veränderung gehindert werden kann.

Auch Tschechien hat „seine eigene“ Corona-Variante

In der Vergangenheit haben die Journalisten Coronavirus-Mutationen nach jenem Ort benannt, an dem ihr erstes Auftreten nachgewiesen wurde. So sprach man beispielsweise von der britischen, der südafrikanischen, der brasilianischen oder indischen Variante. Die britische Mutation war in den letzten Monaten für einen Großteil der Neuinfektionen in den Vereinigten Staaten verantwortlich, während sich in Großbritannien seit mehreren Monaten eine Variante des Virus aus Indien ausbreitet. Auch wir in Tschechien haben unsere eigene Variante, die aber relativ „langweilig“ ist, und deren Eigenschaften sich kaum vom Original unterscheiden. Genau genommen ist sie auch nicht wirklich tschechisch, wenngleich die polnische Regierung sie als solche bezeichnet und vor ihr gewarnt hat.

Bleiben wir noch kurz bei den Bezeichnungen. Wenn Sie sich erinnern, bezeichnete der ehemalige US-Präsident Donald Trump (sowie auch einige tschechische Politiker) das neuartige Coronavirus-Virus als ein „chinesisches Virus“. Es gab berechtigte Bedenken, dass die Bemühungen rund um die Bekämpfung der Pandemie zu politischen Zwecken genutzt werden könnten, und die Benennung von Mutationen nach ihren Herkunftsländern trug dazu bei. Daher kündigte die WHO, also die Weltgesundheitsorganisation, am Montag, den 1.6.2021 an, dass den bestehenden Varianten anstelle von geografischen und komplexen alphanumerischen Namen Buchstaben aus dem griechischen Alphabet vorangestellt werden, und zwar in der Reihenfolge ihrer Entdeckung. So werden Sie künftig von der Alpha-, Beta-, Gamma-, Delta- usw. Variante hören.

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Wie ist das mit der Wirkung der einzelnen Impfstoffe gegen die verschiedenen Mutationen?

Die Mutationen sorgen nicht nur bei Ärzten für Stirnrunzeln, sondern auch bei den Impfstoffherstellern. Wenn das Virus nämlich einen sehr großen „Sprung“ macht, könnten die Impfstoffe möglicherweise nicht mehr wirksam sein. Daher spielen die Genetik und die sogenannte Sequenzierung des Virus eine sehr wichtige Rolle im Kampf gegen die Pandemie. Das ist ein Prozess, bei dem die Wissenschaftler den gesamten genetischen Code „auslesen“, um neue, potenziell gefährliche Veränderungen in der Struktur des Virus erkennen zu können. Auch bei uns wird sequenziert, aber leider nicht im erforderlichen Umfang.

Wenn eine neue Coronavirus-Mutation entdeckt wird, ist es wichtig zu überwachen, wie die verschiedenen Impfstoffe gegen sie wirken.

Und wie sieht es jetzt mit der Wirkung einige Monate nach Impfbeginn aus?

Bevor wir uns der Rangliste widmen, muss aber das Wichtigste gesagt werden. Alle von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zugelassenen Impfstoffe schützen vor schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen, auch wenn es um die aggressivsten Mutationen geht. Obwohl bereits einige Wochen nach Erhalt der ersten Dosis ein gewisser Schutz gegeben ist, tritt die Vollimmunisierung erst nach der zweiten Dosis ein (ausgenommen bei dem Janssen-Vakzin, das in nur einer Dosis verabreicht wird). Eine Reihe von Studien befasst sich mit der Wirksamkeit der Impfstoffe gegen neue Varianten des Coronavirus. Ich beziehe meine Informationen hauptsächlich hier und aus dieser Studie.

Sehen wir uns nun schrittweise die einzelnen Impfstoffe an. Und da insbesondere diese drei Parameter: vollständiger Schutz vor einer Erkrankung (also, dass man sich überhaupt nicht ansteckt), Schutz vor schweren Krankheitsverläufen und Schutz vor den verschiedenen Mutationen, soweit diese Daten vorliegen. Ich möchte noch anmerken, dass unter dem Begriff Variantenschutz der vollständigen Schutz vor dem Auftreten einer symptomatischen Erkrankung zu verstehen ist. Labordaten und reale Zahlen zeigen, dass die Impfstoffe auch bei einer Infektion mit einer der Coronavirus-Mutationen das Auftreten der Krankheit zu fast 100 Prozent verhindern können.

1. BioNTech/Pfizer (Comirnaty-Impfstoff)

Die Wirksamkeit dieses Impfstoffs liegt bei 95 Prozent, und zwar sowohl hinsichtlich des Infektionsschutzes selbst wie auch in Bezug auf schwere Krankheitsverläufe. Das bedeutet, dass Sie selbst im Fall einer Ansteckung sehr wahrscheinlich mit einem milden Krankheitsverlauf rechnen können.

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2. Moderna

Bei diesem Impfstoff, der in unserem Land am zweithäufigsten verabreicht wird, konnte hinsichtlich der Vorbeugung gegen schwere Krankheitsverläufe eine Wirksamkeit von 100 Prozent nachgewiesen werden – das sind wirklich großartige Nachrichten. Insgesamt liegt die Wirksamkeit dieses Vakzins gegen die ursprüngliche COVID-Variante nach Vollimmunisierung bei 94,5 %. Laut WHO wird die Wirksamkeit dieses Impfstoffs auch durch die neuen Varianten nicht beeinträchtigt. Zudem entwickelt das Unternehmen angepasste Impfstoffe, die gegen bestimmte Varianten besser wirken. Dies könnte dabei helfen, die Krankheit insbesondere in jenen Ländern unter Kontrolle zu bringen, in denen die jeweilige Mutation vorherrscht.

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3. AstraZeneca

Studien zufolge kann der Impfstoff von AstraZeneca schwere Krankheitsverläufe zu 100 Prozent verhindern. Er enthält die gesamte genetische Information des Coronavirus, was den Vorteil hat, dass verschiedene Immunzellen auf unterschiedliche Teile des Coronavirus reagieren. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser Impfstoff auch gegen sämtliche Mutationen hochwirksam ist. Noch unvollständige Daten aus Studien an kleineren Patientengruppen lassen im Hinblick auf Corona-Varianten bei Vollimmunisierten eine Wirksamkeit dieses Vakzins von 60-70 % erwarten.

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4. Janssen (Johnson & Johnson)

Der bisher einzige in Tschechien verfügbare Impfstoff, der in nur einer Dosis verabreicht wird und hauptsächlich in Hausarztpraxen zum Einsatz kommt. Er zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die klinischen Studien vor allem in Brasilien und Südafrika stattfanden, und zwar zu einer Zeit, als sich in diesen Ländern Coronavirus-Mutationen ausbreiteten.

Die angegebene hohe Wirksamkeit gegen einen schweren Krankheitsverlauf bei vollständigem Impfschutz lässt also hoffen, dass dieses Vakzin auch gut gegen andere bekannte Varianten des Coronavirus schützt.

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5. Novavax

Novavax ist ein weiterer Impfstoff, der schwere Krankheitsverläufe zuverlässig verhindern kann und zudem einen sehr wirksamen Schutz vor einer Corona-Erkrankung bietet. Da die klinische Testphase für dieses Vakzin in England und Südafrika zu einer Zeit stattfand, in der sich in diesen Ländern verschiedene Coronavirus-Mutationen ausgebreitet haben, kann nun über die Wirksamkeit des Mittels gegen diese Mutationen berichtet werden – eine genauere Analyse der Ergebnisse findet sich hier.

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Was bedeutet das jetzt konkret für mich?

Die gute Nachricht für die Menschen in Tschechien ist, dass der Impfstoff Comirnaty von BioNTech/Pfizer auch gegen verschiedene neue Varianten des Coronavirus hochwirksam ist. Bei uns wird dieses Vakzin nämlich am häufigsten verabreicht. Das Unternehmen ist nun bereits in der Lage, die vertraglich vereinbarten Liefermengen und -termine tatsächlich einzuhalten. Bei uns wird dieser Impfstoff hauptsächlich an Impfzentren mit großen Impfkapazitäten geliefert. Tatsache ist, dass buchstäblich alle verfügbaren Impfstoffe einen sehr hohen Schutz bieten, und wir beruhigt verschnaufen können, wenn ausreichend viele Personen geimpft sind. Nehmen Sie Impfangebote bitte möglichst zeitnah wahr. Ich persönlich war am Freitag an der Reihe. Dass wir Impfstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung haben, ist ein großer Erfolg von Wissenschaft und Zusammenarbeit.

Gleichzeitig verspricht auch die hohe Wirksamkeit anderer Impfstoffe, dass wir die Krankheit auch dort unter Kontrolle bringen können, wo das Impfstoffangebot in den vergangenen Monaten noch gering war. Beispielsweise in Afrika. Zum Abschluss dieses Artikels muss ich aber auch die traurige Tatsache erwähnen, dass während die Lage in Europa und den USA langsam unter Kontrolle gebracht wird, der Rest der Welt unter einem Mangel an Impfstoffen leidet und die Zahl der Todesopfer rasant ansteigt. Das muss sich – in unserem ureigensten Interesse – raschest ändern, gleich aus zwei Gründen! Erstens ist es unmenschlich, Zehntausende sterben zu lassen, wenn es eine Lösung gibt. Und zweitens, wenn wir das Virus nicht durch Impfungen in die Schranken weisen, kann es sich ungehindert ausbreiten und mutieren, auch in eine Richtung, mit der die aktuellen Impfstoffe nicht fertig werden. Lassen Sie uns gemeinsam verhindern, dass so etwas passiert.