Modernisierung der EU-Haushaltskontrolle: EU-Parlament bekennt sich zur Digitalisierung!

14.12.2021
Das EU-Parlament hat einen neuen Vorschlag zur Digitalisierung der Bereiche Berichtswesen, Monitoring und Audit verabschiedet. Dieser geht nun zur Kommission, die auf dieser Grundlage einen eigenen Gesetzgebungsvorschlag vorlegen wird. Worum geht es, und was bedeutet das?

In einem modernen Europa ist die Digitalisierung des privaten und des öffentlichen Lebens ein absolutes Muss, ein notwendiger Schritt in die Zukunft und zur Anpassung an das 21. Jahrhundert. Die Digitalisierung erleichtert uns die Kommunikation, bringt bessere Technologien und vereinfacht behördliche Tätigkeiten und Bürokratie. Das europäische System für Berichterstattung, Monitoring und Audit scheint jedoch im letzten Jahrhundert festzustecken, und im Laufe der Zeit zeigen sich immer größere Risse darin.

Seit meinem Eintritt ins Europäische Parlament arbeite ich als Mitglied des Haushaltskontrollausschusses (CONT) daran, wie besser sichergestellt werden kann, dass Gelder aus dem EU-Haushalt auch wirklich dort ankommen, wo sie ursprünglich vorgesehen war. Das derzeitige System der Umverteilung von Geldern und Subventionen schafft aufgrund veralteter Kontrollmethoden Raum für Betrug, Korruption und Interessenskonflikte.

Milliarden Euro landen Dank mangelnder Transparenz und unzureichender Registrierung der tatsächlichen Begünstigten in einem imaginären „schwarzen Loch“, und die Kommission, die für die Verteilung der europäischen Gelder zuständig ist, hat keine Ahnung, wo genau das Geld der europäischen Steuerzahler landet. Das unkontrollierte Verschwinden von Geldern aus dem Haushalt der Europäischen Union ist nicht nur beschämend und untergräbt ihre Autorität bei den Bürgern, sondern unterstützt auch aktiv verschiedene Betrüger und Agrarunternehmen, die sich unter Umgehung der Vorschriften das Geld ihrer Mitbürger in die eigenen Taschen stecken. Ein gutes Beispiel ist der tschechische Premier in Demission, Andrej Babiš, der dank seines Interessenkonflikts bereits Milliarden Kronen eingesteckt hat.


Die Einführung der Digitalisierung von Berichts-, Monitoring- und Prüfungssystemen ist daher ein logischer und dringend notwendiger Ansatz, den die EU so bald wie möglich umsetzen sollte. Ich freue mich daher sehr, dass es uns diese Woche gelungen ist, im Europäischen Parlament mit überwältigender Mehrheit einen Lösungsvorschlag durchzusetzen, an dem ich mit meinen Kollegen lange gearbeitet habe. Dieser geht nun an die Kommission, die bis Ende des Jahres auf dieser Grundlage einen Gesetzgebungsvorschlag ausarbeiten wird.

Der aufgerissene Geldbeutel


Die Europäische Union investiert fast 2⁄3 ihres Haushalts in zwei gigantische Bereiche – Landwirtschaft und Kohäsion. Beide Programme tragen dazu bei, den Europäerinnen und Europäern eine bessere Lebensqualität zu sichern und die Lebensbedingungen in den Mitgliedstaaten anzugleichen. Obwohl es sich um äußerst wichtige Programme handelt, liegt die Fehlerquote bei den Auszahlungen immer noch bei mindestens 2,7 %. Das mag nicht nach sehr viel klingen. Rechnet man aber die Prozentsätze in reale Zahlen um, so zeigt sich, dass es 2019 zum Beispiel ganze 3,37 Milliarden Euro waren.

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Die EU verliert vor allem aus zwei Gründen Geld. Der erste ist die enorme Fragmentierung der Daten und ihre Lesbarkeit. Die Daten über die Empfänger von EU-Geldern sind über fast 300 regionale, nationale und interregionale Register verstreut. Außerdem werden die Daten über die Begünstigten oft unterschiedlich erfasst, und häufig sind die Angaben in den Dokumenten unleserlich oder fehlen gänzlich. Mangels einheitlicher Regeln zur Vorratsdatenspeicherung verschwinden sie oft nach der Mindestaufbewahrungsfrist auf mysteriöse Weise aus den Registern.

Das zweite Problem hängt unmittelbar damit zusammen: In vielen Fällen haben die Kommission und die lokalen Zahlstellen keinen vollständigen Überblick über die Endbegünstigten der Zuschüsse. Da es in vielen Mitgliedstaaten nicht vorgeschrieben ist, die tatsächlichen Endbegünstigten, also die natürlichen Personen zu registrieren, die die Gelder tatsächlich in Empfang nehmen, gelingt es lokalen Betrügern, sich hinter kleineren Firmen und Unternehmen vor der EU-Kontrolle zu verstecken. Juristische Personen, d. h. Unternehmen usw., können solche Gelder dann weiterleiten, müssen diese Weiterleitungen jedoch nirgendwo melden oder offenlegen. So kommt es, dass Betrüger gerne kleine Unternehmen als Strohmänner nutzen, um so abseits der Möglichkeiten der EU-Aufsicht Subventionen anzuhäufen.



Europa ist im Begriff, sich zu verändern!


Letzte Woche hat das Europäische Parlament beschlossen, das Problem mit den verschwindenden Geldern anzugehen und das bisher ineffiziente Überwachungssystem zu überarbeiten. Die Empfehlung des Europäischen Parlaments zur Digitalisierung der Kontrolle des öffentlichen Haushalts bietet potenziell viele Lösungen, die das Versickern von Geldern durch Betrug und Korruption erheblich reduzieren werden.

Was sind die wichtigsten Punkte der Empfehlungen des Europäischen Parlaments?

  • Zunächst einmal sieht die neue Gesetzgebung die Einführung eines standardisierten, transparenten digitalen Überwachungssystems vor, mit dem sich der Fluss des europäischen Geldes besser nachverfolgen lässt. Europa braucht ein solches System, und zwar schon seit gestern! Daher ist in dem Vorschlag klargestellt, dass das neue System innerhalb von höchstens zwei Jahren nach der Verabschiedung der Rechtsvorschriften eingeführt werden muss.
  • Wenn das neue Register tatsächlich funktionieren soll, muss es von allen europäischen Institutionen in allen Mitgliedstaaten genutzt werden. Das neue Register wird daher so weit wie möglich auf Open-Source-Prinzipien basieren und auf standardisierte Datensätze zurückgreifen.
  • EU-Bürger sollen das Recht haben zu erfahren, wofür ihr Geld ausgegeben wird und wo es tatsächlich landet. Das neue System muss für Vertreter der Zivilgesellschaft und die breite Öffentlichkeit, einschließlich Journalisten, möglichst leicht und umfassend zugänglich sein, damit letztere sich aktiv an der Aufdeckung eventueller Betrugsfälle beteiligen können.
  • Das standardisierte Monitoringsystem sollte Behörden wie dem Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) oder der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) zugänglich sein, die damit Interessenkonflikte und andere Fälle illegaler Mittelbeschaffung überprüfen könnten. Es sollte auch alle Instrumente nutzen, die bspw. der Kommission seit langem zur Verfügung stehen, die aber noch nicht obligatorisch sind.
  • Mit dem neuen System soll nachverfolgbar werden, wer am Ende tatsächlich das Geld der EU bekommt. Wie in dem Vorschlag erwähnt, ist es daher von entscheidender Bedeutung, jeweils den tatsächlichen Eigentümer zu ermitteln, unabhängig davon, ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelt. Ein großer Erfolg ist, dass die Verpflichtung zur Identifizierung des tatsächlichen Eigentümers zumindest dann gilt, wenn eine natürliche oder juristische Person mehr als 15 % des betreffenden Unternehmens besitzt. Das sind viel strengere Vorschriften als beispielsweise im Geldwäschegesetz, wo der Schwellenwert mit 25 % festgelegt wurde.
  • Damit das gesamte Überwachungssystem rückwirkend funktionieren kann, ist es besonders wichtig, dass die Daten über die Begünstigten nicht nach zwei Jahren aus dem Register verschwinden, wie es bisher in vielen Ländern der Fall ist. Die neue Mindestfrist von 5 Jahren ist zwar nicht die beste, aber sie gewährleistet doch, dass eine Straftat, die später entdeckt wird, immer noch zurückverfolgt werden kann.
  • Schließlich wird die Kommission in dem Gesetzesentwurf aufgefordert, sich stärker mit den Instrumenten zu befassen, die in den einzelnen Mitgliedstaaten zum Einsatz kommen. Ein Beispiel dafür ist das Early Detection and Exclusion System (EDES), in dem Betrugsfälle im Zusammenhang mit europäischen Subventionen erfasst sind. Dieses System ist sehr nützlich, nicht nur wegen der schwarzen Liste, die es in Bezug auf Firmen erstellt, die sich ungerechtfertigt aus dem EU- Haushaltsbudget bedient haben. Bisher konnte das EDES nur die für die direkte Verwaltung verwendeten Mittel kontrollieren. Das sind allerdings nur 20 % des EU-Haushalts. In dem Vorschlag wird die Kommission daher aufgefordert, die Zuständigkeiten für solche nützlichen Instrumente weiter zu stärken.

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Eine bessere EU ist möglich


Wie bei allen Vorschlägen dieser Art sind die Würfel natürlich noch lange nicht endgültig gefallen. Der Vorschlag wird nun an die Kommission weitergeleitet, die auf dessen Grundlage einen Gesetzgebungsvorschlag ausarbeiten und die übrigen europäischen Institutionen weiterhin konsultieren wird. Obwohl ich der Meinung bin, dass in der derzeitigen Stellungnahme des Parlaments noch einige Dinge fehlen, bin ich doch sehr zufrieden mit der Art und Weise, wie sich die Dinge entwickeln. Es steht zu hoffen, dass die Kommission dies so sieht und auf die Vorschläge des Europäischen Parlaments verantwortungsvoll reagiert.

Die Annahme der Empfehlungen durch eine Mehrheit im Europäischen Parlament ist eine hervorragende Nachricht für den europäischen Haushalt und die Bürger und nicht zuletzt für die Zukunft der europäischen Institutionen. Das Europäische Parlament ist sich der Tatsache bewusst, dass die Digitalisierung der Behörden und Institutionen von entscheidender Bedeutung ist, um die europäischen Institutionen für die Öffentlichkeit transparenter und verständlicher zu machen. Die EU kann das Vertrauen der Öffentlichkeit nicht dadurch gewinnen, dass sie ständig wichtige Vorgänge verbirgt, vielmehr muss sie so offen und reaktionsfähig wie möglich werden.