Die wahren Verteidiger der Demokratie. Warum geht es ohne freie Medien nicht?
17.10.2022Freie Medien und das Recht auf Information zählen zu den wichtigsten demokratischen Grund- und Freiheitsrechten. Trotz alledem ist mehr als die Hälfte, nämlich 52 % der in den vier Visegrad-Ländern befragten Bürger, mit dem Zustand der Medienfreiheit unzufrieden. Mit gutem Grund: Die Medienfreiheit ist in Europa bei weitem nicht gewährleistet.
Wir mögen es in unserem Alltag nicht so sehr bemerken, aber in Europa wird tagtäglich ein unerbittlicher Kampf für die Freiheit der Medien und die journalistische Unabhängigkeit geführt. Es vergeht kein Tag, an dem lokale, nationale und sogar internationale Medien nicht unter Druck von Regierungen, Politikern oder mächtigen Medienmogulen stünden.
Wer die Medien kontrolliert, kontrolliert praktisch die öffentliche Debatte und bestimmt den politischen Diskurs. Das ist eine mächtige Waffe, die in den falschen Händen absolut fatale Folgen für die Gesellschaft haben und die Redefreiheit einschränken kann. Aus genau diesem Grund müssen wir die freien Medien und die Rechtsstaatlichkeit verteidigen. Die Medien haben dem öffentlichen Interesse zu dienen, nicht Politikern und Oligarchen.
Die Rechtsstaatlichkeit zählt zu den Grundpfeilern einer demokratischen Welt. Sie ist auch die Grundlage der Europäischen Union, die sie bereits im zweiten Artikel des EU-Vertrags erwähnt. Die Staatsgewalt muss sich daran halten und sich gegenüber ihren Bürgern stets im Rahmen der Gesetze bewegen. Sie dient vor allem als Versicherung, dass der Staat im Interesse seiner Bürger und nicht nur zu seinem eigenen Vorteil handelt.
Wächter der Demokratie
Unabhängige Medien spielen eine unverzichtbare Rolle in unserer Gesellschaft. Insbesondere die freie Presse kämpft für die Wahrheit. Die Arbeit der Journalisten besteht darin, oft komplizierte Themen, für die die meisten von uns nicht die Zeit oder die Mittel haben, zu recherchieren, fachkundig zu analysieren, aufzubereiten und der Öffentlichkeit zu erklären. Die Aufgabe der unabhängigen Medien besteht vor allem darin, dafür zu sorgen, dass alle Nachrichten überprüft werden und der objektiven Wahrheit entsprechen. Hier liegt der Hauptunterschied zwischen den echten Medien und den verschiedenen Desinformationsblogs: Wenn die Presse Fakten nicht sicher und effektiv überprüfen kann, kann sie in der Regel auch nicht die Wahrheit berichten.
Aber nicht jeder profitiert davon, wenn die Wahrheit ans Licht kommt. Das gilt auch für Regierungen. Hier fungieren die freien Medien als Wachhund der Mächtigen. Ob es sich um die Aufdeckung großer Korruptionsfälle, die Veruntreuung von EU-Subventionen oder die Unterdrückung von Menschenrechten handelt, oft sind es die freien Medien, die die Öffentlichkeit und die Justiz auf solche Fälle aufmerksam machen.
Die Fähigkeit der freien Presse, die Wahrheit ins Licht zu bringen, ist oft der Grund, warum Regierungen und Machthaber versuchen, die Pressefreiheit vom Erdboden zu tilgen. Wenn die Presse nicht frei ist, arbeitet sie für die Interessen der Mächtigen und gegen die Interessen der Öffentlichkeit. Und ohne eine freie Presse sind auch die Journalisten, die die Wahrheit berichten wollen, nicht geschützt.
Nicht zuletzt gewährleistet die freie Presse das Funktionieren des demokratischen Prozesses. Dank der Presse sind die Menschen über aktuelle Ereignisse und Probleme informiert und können sich so besser in der öffentlichen Debatte zurechtfinden. Ohne die unabhängigen Medien wären die Wähler den verschiedenen Parteigruppen ausgeliefert, könnten ihre eigene Situation nicht abwägen und sich keine eigene Meinung bilden.
Schlicht und – ohne freie Medien gibt es kein modernes und freies Europa.
Schon wieder Babiš
Was Sie wahrscheinlich besonders interessiert, ist die Situation der freien Presse in Tschechien. Noch im vergangen Jahr lag sie im Pressefreiheitsranking der Reporter ohne Grenzen auf dem weltweit 40. Platz – weit hinter bspw. Uruguay oder Ghana. Das diesjährige Ergebnis war daher umso erfreulicher – Tschechien schaffte es wie durch ein Wunder auf den 20 Platz. Wie? Es reichte, Andrej Babiš als Premierminister loszuwerden.
Wenn jemand eine einflussreiche Position innehat, wie bspw. das Amt des Finanzministers oder sogar des Premierministers eines Mitgliedstaates, und zudem eine Reihe einflussreicher Medien besitzt, ist das eben ein ziemlich giftiger Cocktail. So fanden sich in der Zeitschrift „Rytmus života“ (Rythmus des Lebens) aus der Mediengruppe Mafra von Andrej Babiš neben den üblichen Kuchenrezepten und Kreuzworträtseln aus heiterem Himmel plötzlich auchAngriffe auf das tschechische Fernsehen, das Babiš seit langem wegen der Berichterstattung über das Freizeitressort Čapí Hnízdo (Storchennest) kritisiert hat.
Aber nicht nur Andrej Babiš stellt eine Gefahr für die Pressefreiheit in diesem Land dar. Dem Media Plurality Monitor zufolge hat Tschechien große Probleme mit der Konzentration der Medien und der Nachrichtenberichterstattung bei mehreren Mediengiganten. Die fehlende Verpflichtung zur Ofenlegung der Eigentumsverhältnisse diesen Medien führt dazu, dass wir in vielen Fällen nicht einmal direkt wissen, wer der eigentliche Eigentümer ist.
Gleichzeitig hat die Tschechien schier endlose Probleme mit der Politisierung der öffentlichen Medien. Bisher gibt es keine wirksamen Instrumente, die Wahl von Mitgliedern des Aufsichtsrat des Tschechischen Fernsehens (ČT) aus politischen Gründen einzuschränken.
Europas Krieg um die Wahrheit
Im Vergleich mit einigen anderen EU-Mitgliedstaaten steht Tschechien jedoch noch recht gut da. Ein Beispiel dafür, wie es nicht aussehen sollte, ist Ungarn, das übrigens auf der Rangliste der Pressefreiheit auf dem traurigen Platz 92 liegt. Die Fidesz-Partei von Viktor Orban hat vor einigen Jahren praktisch alle Medien des Landes in einer einzigen Mediengewerkschaft zusammengeschlossen, die nur „neutrale“ Inhalte produzieren darf, die in keiner Weiseregierungskritisch sein dürfen.
Dies zeigte sich beispielsweise bei den diesjährigen ungarischen Parlamentswahlen, bei denen die Fidesz eine überwältigende Mehrheit der Stimmen gegen eine geeinte Opposition erhielt.
Wie das möglich ist? Unabhängigen Beobachtern zufolge liefen die Wahlen zwar demokratisch ab – insofern als sie nicht manipuliert wurden, wohlgemerkt. Die Oppositionsparteien hatten in den vergangenen vier Jahren jedoch nur 18 Einladungen zu Sendungen im öffentlichen Fernsehen erhalten. Während die 30-minütige Wahlkampfrede von Viktor Orbán innerhalb von 24 Stunden neun Mal im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde, erhielt der Oppositionsführer nur ein einziges Mal Platz im selben Fernsehen – 5 Minuten in der Morgensendung.
Ein etwas weniger tragisches Szenario spielt sich bei unseren Nachbarn in Polen ab. Hier ist es der ultrakonservativen PiS-Regierung vor einigen Jahren gelungen, die Kontrolle über das öffentliche Fernsehen zu erlangen, das sie fast durchgängig als Instrument der Regierungspropaganda missbraucht. In Polen sind die verbleibenden unabhängigen Medien dann das Ziel einer Salve von politisierten Vorschriften und maßgeschneiderten Gesetzen, die darauf abzielen, sie zu schließen.
Es stehen aber bei weitem nicht nur die Medienredaktionen Druck, die Investigativjournalisten sind die wirklich verfolgten. In ganz Europa sehen sie sich mit einer Reihe gezielter Klagen und Drohungen konfrontiert, die sie zum Schweigen bringen sollen. So veranstaltet bspw. die konservative Regierung in Griechenland eine Jagd auf Whistleblower, die einen massiven Korruptionsskandal in Höhe von 3 Milliarden Euro aufgedeckt haben.
Wir müssen die Medien schützen
Es zeigt sich immer wieder: die freien Medien spielen eine unverzichtbare Rolle in der heutigen Welt. Sowohl bei der Information der Öffentlichkeit als auch bei der Aufdeckung wichtiger Korruptionsfälle. Investigativjournalisten ist es beispielsweise zu verdanken, dass die Affäre um die Pandora Papers öffentlich wurde, bei der der ehemalige tschechische Premierminister rund 400 Millionen CZK über Offshore-Strukturen gewaschen und zum Kauf einer Villa an der französischen Riviera verwendet haben soll.
Als Piraten haben wir uns immer für freie Medien eingesetzt, die wir als eines der wichtigsten Prinzipien einer transparenten und freien Gesellschaft betrachten. Im Parlament setzen wir uns zum Beispiel für ein Gesetz über Interessenkonflikte ein, das Politikern den Besitz von Medien verbieten soll.
Das Problem muss natürlich auch auf EU-Ebene gelöst werden. Wir drängen die Kommission, nicht länger zu zögern und ein solides Medienfreiheitsgesetz zu schaffen, das freien Medien und Journalisten im Falle eines Angriffs von außen Schutz bieten könnte.