Europäische Grenzschutzagentur an Menschenrechtsverletzungen beteiligt. So kann es nicht weitergehen!

19.12.2022
Die europäische Außengrenze ist tatsächlich enorm lang – sie erstreckt sich von Porto bis Helsinki, von Dublin bis Valletta. Dass die Verteidigung einer solchen Grenze unendlich viel Energie und Anstrengung seitens der Europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex erfordert, die sich seit knapp zwei Jahrzehnten um unsere gemeinsamen Grenzen kümmert, ist nicht weiter verwunderlich.

In den letzten Jahren unübersehbar ist allerdings auch das zunehmende Scheitern von Frontex an den gestellten Aufgaben – intern wie auch extern. Als Mitglied des Haushaltskontrollausschusses der EU bin ich unter anderem auch für die Überwachung des Umgangs der europäischen Länder, Institutionen und Behörden mit dem Geld der Steuerzahler verantwortlich. Bei Frontex stellen wir diesbezüglich einen offenkundig verantwortungslosen Umgang fest. Die Agentur unterdrückt nicht nur aktiv Menschenrechte und internationales Recht, sie hat auch eklatante interne Probleme.

Ich weiß es sehr zu schätzen, dass sich die Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament dieser Probleme ebenso bewusst ist wie ich und sich mit mir dafür entschieden hat, den Rechenschaftsbericht der Agentur für das Jahr 2020 zurückzuweisen. Frontex muss erst jene Reform erfolgreich umsetzen, die das Europäische Parlament bereits bei der Verabschiedung der vorherigen Entlastung – also des Rechnungsabschlusses 2019 – vorgegeben hat. Dies geschieht seit dem Amtsantritt der neuen Direktorin im vergangenen Sommer schrittweise, vollständig erfüllt hat die Agentur unsere Anforderungen bisher jedoch noch nicht.

Aber warum sollte Frontex überhaupt reformiert werden? Das ist einfach erklärt: Weil es hier in den letzten Jahren einige Probleme gibt, die nur im Rahmen einer Reform aus der Welt geschafft werden können.

  • So war Frontex unter anderem aktiv daran beteiligt, Menschen über Grenzen zurückzudrängen und Boote von Asylsuchenden in europäischen Gewässern zu rammen. Damit beteiligte sie sich nicht nur an der Verletzung von Menschenrechten und internationalen Abkommen, sondern verursachte auch den Tod Dutzender unschuldiger Menschen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Agentur aktiv darum bemüht, ihr diesbezügliches Vorgehen unter den Teppich zu kehren, wie aus dem kürzlich geleakten OLAF-Bericht an die Zeitschrift Der Spiegel hervorgeht.

  • Es zeigt sich auch, dass Frontex bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter·innen hoffnungslos überfordert ist. So werden beispielsweise Bewerber·innen zu einem Vorstellungsgespräch nach Polen (wo Frontex ihren Sitz hat) gebeten, nur um dort zu erfahren, dass sie die Gesundheitstests nicht bestanden haben. Im Personalressort der Agentur selbst herrscht ein derartiges Chaos, dass man schon seit Jahren nicht einmal mehr in der Lage ist, ausreichendes und geeignetes Personal einzustellen, das man für die Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte durch die Mitarbeiter·innen eigentlich benötigen würde.

  • Intern, also unter den Mitarbeiter·innen, hat Frontex einen sehr schlechten Ruf, nicht zuletzt wegen der Mobbing- und Belästigungsvorfälle, welchen sich die dortigen Arbeitskräfte ausgesetzt sehen. Bislang sind 17 derartige Fälle bekannt, die Ziffer kann aber noch steigen.
  • Auch die Teilnahme von Frontex an zahlreichen Treffen mit nicht registrierten Lobbyisten aus der Rüstungs-, Überwachungs- und biometrischen Industrie trägt nicht unbedingt dazu bei, die Agentur in ein gutes Licht zu rücken.

Dieses und ähnliche Probleme plagen Frontex schon seit geraumer Zeit. Die meisten davon stammen noch aus der Zeit, in der Fabrice Leggeri als Direktor am Ruder war. Er ist nicht nur für den schlechten Zustand der Agentur an sich, sondern auch für Dutzenden Tote verantwortlich, die in den letzten Jahren eindeutig auf das Konto der Agentur gingen. Weshalb bisher kein Strafverfahren gegen den ehemaligen Direktor eingeleitet wurde, ist und bleibt unerklärlich. Europa basiert auf Gerechtigkeit – ein Frontex-Direktor darf da keine Ausnahme bilden.

Um es also zusammenzufassen: Europa braucht Frontex. Gleichzeitig können wir aber keine Organisation unterstützen, die mithilfe unseres Geldes Menschenrechte verletzt, ihre eigenen Mitarbeiter·innen schikaniert und sich generell höchst chaotisch verhält. Ich hoffe aufrichtig, dass die neue Führung von Frontex dies ebenfalls erkennt und weiterhin wichtige und notwendige Schritte unternimmt, um die Fehler der Vergangenheit auszubügeln und künftige nach Möglichkeit zu vermeiden Bis dahin kann ich für mich aber aus den vorgenannten Gründen Frontex einfach keine Entlastung aussprechen.