Goldene Pässe: Die Hintertür russischer Oligarchen nach Europa

24.03.2022
Während Russland Europa mit einem Krieg in der Ukraine drohte, kauften russische Oligarchen in Bulgarien europäische Pässe.

Seit nunmehr einer Woche blickt die Welt voller Entsetzen und total schockiert auf den blutigen Konflikt in der Ukraine. Neben den russischen Drohungen und der nachfolgenden russischen Invasion in die Ukraine gingen die sich im nahegelegenen Bulgarien abspielenden Ereignis unter. So unglaublich es auch scheinen mag, die bulgarische Hauptstadt Sofia stellte indes weiterhin goldene Pässe für russische Oligarchen aus.

Diese Pässe sind heiß begehrt. Warum? Weil man als Bürger eines EU-Mitgliedstaates automatisch EU-Bürger wird. Zudem sind europäische Pässe quasi der Schlüssel zur gesamten Welt – wer einen solchen Pass hat, kann sich nicht nur kreuz und quer durch Europa, sondern mehr oder weniger alle Länder dieser Erde bewegen.

Dieses Passsystem nutzen fast ausschließlich nicht-europäische Oligarchen und Mafiosi, um sich langfristig Zutritt nach Europa zu sichern. Wenig überraschend finden sich unter ihnen auch zahlreiche russische Oligarchen. Dass die Ausstellung von Pässen gegen Geld weder für jene (europäischen) Länder, die dieses System betreiben, noch für Europa insgesamt vorteilhaft ist, ja ganz im Gegenteil allen erheblich zum Nachteil gereicht, hat sich bereits mehrfach bestätigt.

Drei führende russische Banker, die von den bulgarischen Behörden goldene Pässe erhalten haben, besitzen (offiziell) weder Eigentum noch ein Unternehmen in Europa. Somit konnten es eigentlich nur hohe Geldbeträge, direkt an die bulgarische Regierung, sein, die ihnen diese Pässe sicherten.

Das Problem mit goldenen Pässen und Visa quält Europa seit vielen Jahren. Für Länder wie Bulgarien und Malta sowie bis vor kurzem auch Zypern war der Verkauf von Staatsbürgerschaften ein florierendes und lukratives Geschäft.

Europäer werden - schnell und „billig“

Seit Bulgarien 2013 das sog. System der „goldenen Pässe“ einführte, wurde der Besitz eines solchen in bestimmten Kreisen immer populärer. Der Preis eines solchen bewegt sich zwischen 800.000 und 2.000.000 Euro. Dieser Betrag ist vom Antragsteller in die örtliche Wirtschaft zu investieren. Ob der Betrag nun in eine bestehende Firma oder in Immobilien investiert wird, oder ob damit Arbeitsplätze geschaffen werden, ist dabei unerheblich.

Wie am Beispiel der russischen Banker Dmitri Kushaev, Roman Nagev und Igor Finogenov zu sehen ist, bringt das ganze System dem Land aber nicht wirklich echtes Geld. Nicht einer der drei genannten Banker hat irgendein Vermögen im Land. Keiner von ihnen besitzt oder leitet ein Unternehmen in Bulgarien. Somit müssen sie ihre goldenen Pässe entweder über den Erwerb bulgarischer Wertpapiere (Staatsanleihen) erworben haben, oder durch die Einlage von Bargeld in einem bulgarischen Bankinstitut. Untersuchungen der zweiten Variante ergaben, dass derartige Antragsteller auf der Grundlage dieser Einlagen Kredite in Millionenhöhe aufnahmen.

Allein in der letzten Dekade ebnete diese Vorgehensweise insgesamt 97 Personen den Weg nach Europa, wobei unter ihnen auch problematische Oligarchen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken und korrupte chinesische Beamte zu finden sind. 40 % von ihnen sind Russen.

Ein weiterer einflussreicher Russe mit einem solchen goldenen Pass aus Bulgarien ist der Unternehmer Roman Savushkin, dem enge Verbindungen zu dem ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew nachgesagt werden. Zum Zeitpunkt der Erlangung seiner bulgarischen Staatsbürgerschaft war Savushkin Generaldirektor der russischen UWC, einer der weltweit größten Güterwagenfabriken. Unterstützung bei der Erlangung des bulgarischen Passes erhielt er von dem ehemaligen bulgarischen Abgeordneten Deljan Peewski, der über zwielichtige Kanäle eine Reihe bulgarischer Politiker und Beamter kontrolliert und zu jenen drei Bulgaren gehört, die seit letztem Jahr vom US- Finanzministerium unter dem Magnitsky Act sanktioniert werden.

Nun dürfte allerdings der Druck seitens der Europäischen Union auf Bulgarien endlich eine Veränderung herbeiführen. Wenngleich die ehemalige Regierung noch vor einem Jahr die Ausstellung goldener Pässe und Visa lautstark befürwortete, versprach kürzlich die aktuelle, diese Praktiken in den kommenden Wochen vollständig einzustellen.


Tausende goldene Pässe für reiche Russen

Zypern bot ein dem bulgarischen System zum Erwerb einer EU-Staatsbürgerschaft gleiches Modell an, das allerdings Ende 2020 eingestellt wurde – nachdem aufgeflogen war, dass das Land auch politisch exponierten Personen seine Staatsbürgerschaft verlieh und weltweit agierenden Kriminellen Asyl gewährte.

Aufgrund der Entfernung der Insel vom Rest Europas war die zypriotische Staatsbürgerschaft wesentlich populärer als heute die bulgarische. Dieser kleine Inselstaat stellte in sieben Jahren mehr als tausend Russen einen goldenen Pass aus und kassierte dafür insgesamt mehr als acht Milliarden US-Dollar. Beantragt wurden diese Pässe von Millionären wie etwa dem Gründer der russischen Bank Tinkoff oder einer chinesischen Entwicklerin mit einem geschätzten Vermögen von rund 24,7 Milliarden Euro.


Die Insel der Korruption

Sobald Bulgarien die Ausstellung goldener Pässe beendet, bleibt den Oligarchen nur noch ein Ort, an dem sie einfach und billig zu einer EU-Staatsbürgerschaft kommen – Malta. Diese Mittelmeerinsel steht nicht nur wegen der hier erhältlichen goldenen Pässe, sondern auch wegen einer Reihe anderer korrupter Machenschaften in Verruf. Hier wird in sogenannten Steuerkarussells auch gerne Geld gewaschen, um nur ein Beispiel zu nennen. Mehr dazu habe ich im letzten Sommer in meinem Blog veröffentlicht.

Obwohl die Europäische Kommission bezüglich dieser goldenen Pässe bereits rechtliche Schritte gegen Malta eingeleitet hat, deutet nichts darauf hin, dass die maltesische Regierung dieses für sie lukrative System in nächster Zeit freiwillig aufgibt.

Londongrad – wo die Russen sich eingenistet haben

In 17 weiteren EU-Mitgliedstaaten werden goldene Visa angeboten. Dort bekommt man zwar nicht sofort die Staatsbürgerschaft, wohl aber einen Daueraufenthaltstitel, der ein sehr wichtiger Schritt zu einer künftigen Staatsbürgerschaft ist. Hier zählen u. a. Griechenland, Portugal und das Vereinigte Königreich zu den bekanntesten. Seit dem Start dieses Programms im Jahr 2017 wurden sogar in Tschechien zwei Anträge auf goldene Visa eingereicht.

Auch London hat viel Erfahrung mit russischen Oligarchen und wird in bestimmten Kreisen daher oftmals als „Londongrad“ bezeichnet. In den vergangen 7 Jahren stellte die Stadt mehr als 200 russischen Oligarchen goldene Visa aus nur 7 Anträge wurden abgelehnt!


Die Unionsbürgerschaft ist ein Recht, keine Ware!

Es geht nicht an, dass EU-Staatsbürgerschaften zu einem billigen Gut für Top- Oligarchen und korrupte Beamten aus aller Welt verkommen. Es kann und darf nicht sein, dass Länder wie Bulgarien oder Malta russischen Oligarchen mit Verbindungen zu Putin und staatlichen Strukturen europäische Pässe verkaufen.

In Reaktion auf den russischen Einmarsch in der Ukraine haben bereits viele EU-Länder ihre Goldprogramme ausgesetzt, was natürlich lobenswert ist. Das reicht aber nicht – Europa muss den Verkauf von goldenen Pässen generell und endgültig stoppen!


Die Europäische Kommission muss dafür sorgen, dass das Programm der Goldenen Pässe und Visa endgültig aus Europa verschwindet. Kommende Woche werden meine Kollegen und ich im Europäischen Parlament über einen diesbezüglichen Gesetzentwurf für die Kommission abstimmen. Ich hoffe sehr, dass dieses Problem nun endlich ernst genommen wird!