Klima-Special: Straft sich Europa jetzt selbst?

30.06.2021
Vielleicht wissen Sie bereits aus den Medien, dass sich Europa, die USA, China und andere Weltmächte zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen verpflichtet haben.

Aus allen Ecken und Enden der Welt sind unterschiedliche Zahlen zu hören – Halbierung der Emissionen, Erreichen der CO2-Neutralität usw. Ehrgeizige Pläne zur Senkung der Emissionen, die aber einige Menschen ziemlich verunsichern. Bedeutet das die Schließung von Industriebetrieben? Werden dadurch Energie und Güter teurer? Lassen Sie uns einen sachlichen Blick darauf werfen, was Emissionen eigentlich sind, wie sie reduziert werden können und wozu das führen wird.

Im heutigen Artikel geht es um das Thema Emissionen und wo wir hinsichtlich Ihrer Menge aktuell stehen.

1) Was sind Emissionen?

Vielleicht erinnern Sie sich noch an die 1990er-Jahre, als die Luftverschmutzung in unserem Land ein großes Thema war. Damals fand dieser Begriff Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch. Insbesondere in den Regionen Mährisch-Schlesien und Aussig war die Schadstoffbelastung der Luft (Schwefeldioxid, Benzo[a]pyren, Feinstaub wie Staub und Asche) so hoch, dass nicht nur Asthma- und Krebsleiden vermehrt auftraten, sondern auch häufiger Kinder zur Welt kamen, die bereits bei ihrer Geburt krank waren. Das Programm Teplice zeigte, dass an Orten mit hoher Schadstoffkonzentration in der Luft viel mehr Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht und Atemwegserkrankungen geboren wurden als in Regionen mit gesünderer Luft. Hunderttausende, die in der damaligen Industrieproduktion beschäftigt waren, wussten, wie auch ihre Familien und Angehörigen, ob der von den Betrieben ausgestoßenen verschmutzten Luft gar nicht, wie sich ein gesundes problemloses Leben anfühlt.

Diese Emissionen konnten wir in den 1990er-Jahren relativ rasch drosseln, genauer gesagt konnte zwischen 1990 und 1998 der Ausstoß bestimmter Schadstoffe deutlich, im zweistelligen Prozentbereich, gesenkt werden. Heute haben wir in den Regionen Mährisch-Schlesischen und Aussig eine objektiv bessere Luftqualität als vor 30 Jahren.

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2) Was sind CO2-Emissionen?

Die große Herausforderung der heutigen Zeit sind, nicht nur in Tschechien, die Treibhausgase, und hier speziell das Kohlenstoffdioxid(CO2). Dieses gemeinhin als Kohlendioxid bekannte Gas ist einerseits natürlicher Bestandteil der Erdatmosphäre, entsteht aber andererseits in schädlichen Mengen bei der Verbrennung sog. fossiler Energieträger, d. h. Holz, Kohle, Öl und Gas. Somit wird es von allen Benzin- und Dieselmotoren, allen Heizhäusern, Fernwärmewerken, Zement-, Eisen- und Stahlproduzenten, aber auch von allen Brauereien, Raffinerien und Chemiewerken erzeugt und ausgestoßen. Hier sehen Sie eine detaillierte Treibhausgas-Aufstellung für Tschechien. Kohlendioxid als solches ist für die menschliche Atmung unbedeutend und schadet auch unserer Lunge nicht grundsätzlich. Seine Gefahr liegt woanders. Zusammen mit Wasserdampf, Methan, Ozon und anderen ähnlichen Gasen erzeugt es den Treibhauseffekt, ein Phänomen, das die Temperatur auf unserem Planeten ansteigen lässt. Treibhausgase haben besondere physikalische Eigenschaften, mit deren Hilfe sie die Infrarotstrahlung der Erde einfangen und in Wärme umwandeln, was dazu führt, dass sich unsere Atmosphäre aufheizt. Wenn Sie also in den 1990ern das Wort „Emissionen“ mit schwersten Lungen-, Krebs- und Atemwegserkrankungen in Verbindung gebracht haben, ist es gut zu erkennen, dass die Folgen dieser „heutigen“ Emissionen zwar einer anderen Quelle entstammen, aber nicht weniger schlimm sind.

Ein weiterer Anstieg der Temperatur auf unserem Planeten führt unweigerlich zur Austrocknung des Bodens und dazu, dass Wasser zur heiß umkämpften Mangelware werden wird. Die Bäume in Wäldern werden nicht genügend natürliche Nährstoffe erhalten und damit zur leichten Beute von Borkenkäfern und anderen Schädlingen. Zudem wird das, was jetzt an einem gegebenen Ort wächst und lebt, dort verschwinden, da der entstehende Mangel an Nahrung und Wasser ein weiteres Überleben unmöglich machen wird. Einige Lebewesen, darunter auch der Mensch, werden dieses Problem durch Migration in Gegenden mit besseren Lebensbedingungen lösen. Einige Tierarten werden sich nicht schnell genug anpassen können. Diese werden wir für immer verlieren. Je mehr Wärme die Treibhausgase in die Atmosphäre abgeben, desto häufiger wird es zu extremen Wetterschwankungen kommen. Die schickt uns nämlich keine „höhere Macht“, vielmehr entstehen sie direkt proportional zur Menge an freier Energie in der Atmosphäre. Vereinfacht gesagt steht zu befürchten, dass die „heutigen“ Emissionen unsere grüne Lunge – die Wälder – zerstören, dass nicht mehr der Mensch an Krebs stirbt, sondern Krebse und andere Tierarten vom Aussterben bedroht sind, dass Dürre und starke Wetterschwankungen bevorstehen und der Verlust von bewohnbarem Land drohen.

Das Problematische an Kohlendioxid ist, dass zu viel davon entsteht, und dass es sich im Gegensatz zu Wasserdampf in der Atmosphäre nur sehr langsam zersetzt. Normalerweise tragen Treibhausgase in der Atmosphäre dazu bei, die Temperatur zu halten, an die wir gewöhnt sind. Ohne Treibhausgase läge die Erdtemperatur bei etwa -18 Grad Celsius. Wenn aber der Kohlendioxidanteil zu hoch ist, steigt die Temperatur auf der Erde. Wer nun meint, dass es im Fall zu hoher Temperaturen ausreichen sollte, die Emissionen vorübergehend zu senken, der irrt, gewaltig. So funktioniert das leider nicht. Es gibt eine gewisse Grenze dafür, wie viel CO2 in der Atmosphäre sein darf, damit das Gas richtig funktioniert und unseren Planeten konstant auf angenehme rund 14 Grad „erwärmt“. Wird diese Grenze überschritten, so stellt sich ein unkontrollierbarer Erwärmungsprozess ein (sehen Sie sich dazu dieses Video an oder lesen Sie, wenn Sie es vorziehen, den Flyer der Akademie der Wissenschaften – beide leider nur in tschechischer Sprache verfügbar). Tritt dieser Fall ein, dann können wir als Zivilisation nichts mehr dagegen unternehmen. Sollte diese Vorhersage eintreten, wären wir nur noch hilflose Zeugen eines wirtschaftlichen, ökologischen und zivilisatorischen Zusammenbruchs mit unermesslichen Schäden. Der heute 94-jährige britische Naturforscher Sir David Attenborough hat dieses Szenario in einem abendfüllenden Film mit dem Titel „Mein Leben auf unserem Planeten“ verarbeitet. Den Trailer können Sie sich hier ansehen. Oder werfen Sie einen Blick auf die bemerkenswerte filmische Zeitachse von Google Maps, über die bereits sehr deutlich erkennbaren Veränderungen, die durch die Rodung von Wäldern hervorgerufen werden. Hier geht es um Alles oder Nichts. Ein unkontrollierbarer „Aufwärmautomat“ würde noch größeren Schaden anrichten als die durch das Coronavirus hervorgerufene Pandemie, denn eine Lösung vom Typ eines Impfstoffs gibt es einfach nicht.

3) Wieso haben wir so viele CO2-Emissionen?

Vorweg sei darauf hingewiesen, dass es bei den CO2-Emissionen nicht um die Luftqualität als solche geht. Vielmehr geht es um den (landwirtschaftlichen) Boden, um Wasser und um die Lebensbedingungen auf diesem Planeten im Allgemeinen. Dass zu viel Kohlendioxid einen „Selbsterhitzungseffekt“ hat, wissen wir schon seit geraumer Zeit, genauer gesagt, seit mehr als 100 Jahren. Damals handelte es sich noch um eine Theorie. Die Industrie steckte in ihren Kinderschuhen und niemand erwartete, dass es einmal so viele Motoren, Heizkessel und Betriebe geben könnte, in denen etwas verbrannt würde, bei dem dieser Gastyp entstehen könnte. Doch genau das passierte.

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Das erinnert Sie an die Pandemiekurve? Richtig. Die Produktion auf Basis fossiler Brennstoffe hat sich im letzten Jahrhundert auf unserem gesamten Planeten ebenfalls ausgebreitet. Lange Zeit gab es keine andere Möglichkeit, die Produktion zu steigern und den Lebensstandard der Menschen zu verbessern. Die fossile Industrie hatte gewissermaßen ein Monopol auf den Wohlstand. Die ersten Technologien zur Minimierung der CO2-Emissionen aus Produktion, Transport und Energiegewinnung wurden erst in den 1960er-Jahren entwickelt. Und die Vereinten Nationen beschäftigen sich erst seit den 1980ern mit dem Emissionsthema. Gleichzeitig steigt die Erdtemperatur unerbittlich (Es kommt nicht von ungefähr, dass diese Grafik die gleiche Entwicklungsdynamik aufweist, wie die Entwicklung der Emissionen).

Mit den steigenden Temperaturen auf unserem Planeten steigt auch die Besorgnis unter Wissenschaftlern, Politikern, Geschäftsleuten und einfachen Menschen weltweit, und der Wille, das Problem wirklich zu lösen. Vor 100 Jahren handelte es sich noch um eine durchaus interessante, dennoch lediglich theoretische Überlegung, da die Emissionen um ein Vielfaches geringer waren als heute (im Jahr 1900 verzeichnete man weltweit 1,765 % der heutigen Emissionen). Aktuell stehen wir aber ungefähr dort, wo sich die Physiker von damals nur in ihren kühnsten Modellen auf Papier wagten. Zudem ermöglicht der heutige Stand der Technik bereits große Veränderungen. Sie werden keinen einzigen Industrie-, Logistik- oder Energiebereich finden, in dem die fossilen Brennstoffe nicht schon heute mit anderen Technologien konkurrieren müssen. Es ist nur mehr eine Frage der geeignetsten Lösungen und der Bereitschaft, rechtzeitig zu investieren. Deshalb saßen in diesem Jahr Vertreter aus Europa, China, Brasilien, den USA und anderen Großmächten an einem Tisch und einigten sich auf konkrete Emissionsreduktionsziele. Deshalb wurde auch vor einigen Jahren das Pariser Klimaabkommen von 155 Staaten unterzeichnet, die zusammen für 90 % des heutigen Emissionsausstoßes verantwortlich sind. Wir bekommen es in den Griff. Langsam wird nämlich allen klar, was auf die Menschheit zukommt, wenn wir die Sache nicht in den Griff bekommen.

4) Wie können CO2-Emissionen gesenkt werden?

Ich sage Ihnen, wie es nicht geht. Man kann sicherlich nicht sofort und ersatzlos alles abdrehen. Unsere gesamte Wirtschaft baut auf der Industrie auf, und diese spielt bis heute eine enorme Rolle, wenn es darum geht, wie viele Menschen Arbeit haben und wie reich oder arm ein Land ist. Alle auf fossilen Energien beruhenden Betriebe über Nacht zu schließen und sie durch nichts zu ersetzen, würde lediglich Verwirrung stiften und den Niedergang bedeuten. Es darf also nicht so passieren, wie bei der Pandemie, dass die Regierung unseres Landes eines Tages einfach alle Läden schließt und den Notstand ausruft. Es braucht eine Kombination aus gut durchdachten Gesetzen, der Kontrolle ihrer Einhaltung und positiven finanziellen Anreizen, damit alle Marktteilnehmer erkennen, dass sich die Reduzierung von Emissionen wirtschaftlich rechnet. Genau dieses Ziel verfolgt die EU, sowohl auf der Ebene von Maßnahmen als auch in Bezug auf Investitionen.

Der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft muss weder Streichungen noch Kürzungen bedeuten, er kann vielmehr ein Motor für Innovation, neue Arbeitsplätze und einen besseren Lebensstandard sein. Blicken Sie zurück auf die Zeit kurz vor Ausbruch der Pandemie. Die Wirtschaft ist gewachsen, die Emissionen sind gesunken. Ja, in Europa ist es uns in den vergangenen 15 Jahren gelungen, den CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren. Unterstützt wurde dies auch durch den 2005 von der EU eingeführten sogenannten Emissionshandel, mit dessen Hilfe zwischen 2008 und 2016 rund 1 Milliarde Tonnen Emissionen eingespart werden konnten. Seit Einführung des Emissionshandels ist die CO2-Menge in den europäischen Ländern um mehr als 25 % gesunken. Die Zahl mag nicht besonders groß erscheinen, dennoch haben wir das weltweit erste marktbasierte Emissionsminderungssystem auf den Markt gebracht. Unser System ist bis heute das weltweit größte und inspirierte zudem andernorts die Entstehung ähnlicher Instrumente. Das ist Grund genug, uns im nächsten Teil dieser Serie näher damit zu beschäftigen.