Pandora Papers: Sehen wir uns also genauer an, worum es eigentlich geht

18.10.2021
Als ich mich nicht nur im Europäischen Parlament für mehr Transparenz bei Unternehmen in Steueroasen einsetzte (www.spravedlivedane.cz), war ich über die laxe Haltung der Regierung Andrej Babiš und seiner vermeintlichen Antikorruptionsbewegung ANO etwas überrascht. Jetzt bin ich es nicht mehr.

Andrej Babiš steht im Zentrum des als Pandora Papers bekannten Mega-Skandals um Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Dabei befindet er sich in „guter“ Gesellschaft. Auch Vladimir Putin, Volodymyr Zelensky und Tony Blair, um nur einige zu nennen, sind dort prominent platziert. Sehen wir uns also genauer an, worum es eigentlich geht.

Was wir bereits wissen: Glaubt man den Unterlagen der panamaischen Anwaltskanzlei Alcogal, so schickte Babiš heimlich fast 400 Millionen (!) Kronen aus Tschechien in die berüchtigte Steueroase Britische Jungferninseln. Ferner gründete er eine Briefkastenfirma in Washington und lieh ihr Geld von der ersten Firma. Auf dem Papier hatten diese Firmen nichts miteinander zu tun, obwohl sie tatsächlich im Besitz ein und derselben Person waren. Die Firma in Washington gründete daraufhin eine Tochterfirma in Frankreich, die wiederum sechzehn Luxusimmobilien, darunter das Château Bigaud im Süden des Landes, kaufte. Zudem lieh sich die US-amerikanische Firma von A. Babiš später bei der monegassischen Filiale der Société Générale 8 Millionen Euro, wodurch möglicherweise verdeckt werden sollte, woher das Geld für den Immobilienerwerb stammte. Die Grafik stellt das ganze Schema dar.

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Warum er das tat? Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Entweder waren diese fast 400 Millionen Kronen nicht legal oder Babiš hat sie „gewaschen“. Laut den von der Plattform Investigace.cz kontaktierten Experten sind bei dieser Transaktion „Geldwäschemerkmale erkennbar“, da „eine normale Geschäftstransaktion niemals so aussehen würde“.

Oder, Babiš wollte, was wahrscheinlicher ist, einfach nur Steuern sparen. Das in Steueroasen endende Firmengeflecht ermöglicht es Babiš theoretisch, die Besteuerung sämtlicher Einnahmen aus seiner Villa – selbst im Fall eines Verkaufs derselben – zu vermeiden. In der Praxis würde das so aussehen, dass die Firma in Frankreich ihre gesamten Gewinne „auf Null setzt“, indem sie der Firma auf den Britischen Jungferninseln Zinsen für ihr Darlehen überweist (dieser Mechanismus ist als Intercompany-Darlehen bekannt). So zahlt die Firma in Frankreich keine Einkommenssteuer (weil sie keinen Gewinn macht) und die Firma in der Steueroase ebenfalls nicht (weil dort trotz existierendem Gewinn keine Steuer anfällt). In der Praxis ist dieser Weg allerdings recht kompliziert, da die Einnahmen in Frankreich exakt mit den vereinbarten Darlehenszinsen übereinstimmen müssen. Unmöglich ist ein solcher Weg dennoch nicht.

Es gibt aber auch einen anderen Weg: Nach den Erkenntnissen der Plattform neovlivni.cz könnte diese Struktur bedeuten, dass A. Babiš in Frankreich weniger an Grund- und Solidaritätssteuer abzuführen hätte. Das wäre allerdings ein glatter Steuerbetrug gegenüber Frankreich als Staat, wodurch sich Babiš bedeutende Schwierigkeiten einhandeln könnte. Frankreich hat nämlich kein Problem damit, auch ehemalige Spitzenpolitiker zu verurteilen.

Licht in den ganzen Fall kann jedenfalls nur Andrej Babiš selbst bringen. Er schuldet uns allen daher Antworten auf diese Fragen:

• Warum wurde dieser Immobilienkauf über Steueroasen und nicht direkt abgewickelt?

• Woher stammen die 400 Millionen Kronen für diesen Kauf? Handelte es sich dabei um legales und versteuertes Einkommen?

• A. Babiš behauptet, dass „die Struktur ein Darlehen erhalten und mir das Geld zurückgezahlt hat“ (hier, Minute 9:30). Wem hat Babiš Geld geliehen und heißt das, dass ihm die Immobilie gar nicht gehört? Wie kann es sein, dass er das Geld zurückerhalten hat und gleichzeitig Eigentümer der Immobilie ist?

Babiš muss einfach die Karten auf den Tisch legen. Als Premier des Landes hatte er dafür zu sorgen, auch selbst fair und korrekt zu spielen. Es ist daher unerlässlich, dass er all diese Fragen ausnahms- und bedingungslos beantwortet.

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Können wir darauf vertrauen, dass Babiš das Bestehen von Steueroasen bekämpfen wird?

Für eine Regierung, die nach eigener Aussage Steuerparadiese und Steuerhinterziehung bekämpft, sind derartige Erkenntnisse umso skandalöser. Pikant ist auch, dass Babiš in dieser Causa nicht nur in Tschechien Ermittlungen drohen, sondern auch in Frankreich und in den Vereinigten Staaten, wo seine geheimen Unternehmen geführt werden. Man kann sich wohl ausmalen, wie Babiš bei Staatsbesuchen in diesen Ländern dastehen würde, von seiner Glaubwürdigkeit gegenüber anderen Staatsoberhäuptern ganz zu schweigen.

Die Enthüllungen der Pandora Papers werfen auch einen Schatten auf das bisherige Handeln der Regierung Babiš. Hier spricht schon ein einziges Beispiel Bände: Bei der 2016 geführten Diskussion um die Einführung eines öffentlichen Firmeneigentümer-Registers beharrte A. Babiš, der damals Finanzminister war, darauf, dass die Öffentlichkeit nicht über die wahren Firmeneigentümer zu informieren ist. In einem Brief an David Ondráček, den Direktor von Transparency International, schrieb der heutige Premier damals sogar, dass er aufgrund seiner „bisherigen Erfahrungen (...) die Sinnhaftigkeit und den Nutzen“ des Register anzweifele. (https://www.transparency.cz/wp-content/uploads/MF-31526-2016-2401-3_KzM%C3%9A1.pdf) Bedenkt man, dass Babiš nach Ansicht von Investigativjournalisten aus aller Welt in Bezug auf Steueroasen bereits damals „Butter auf dem Kopf“ hatte, sollte uns seine Vorgehensweise jedenfalls beunruhigen.

Natürlich versuchte Babiš im Vorwahlkampf all das als bloße politische Machenschaften vom Tisch zu wischen, was aber völliger Unsinn ist, zumal die Enthüllungen das Ergebnis einer langjährigen internationalen Zusammenarbeit von Journalisten angesehener Medien wie der BBC, dem Guardian, Le Monde und der Washington Post ist.