Das slowakische „Korruptionsamt“ geht wieder in Betrieb. Das kann uns Milliarden kosten

21.12.2021
Entgegen den Empfehlungen der Europäischen Union und des Amtes für Korruptionsbekämpfung ermöglicht der neue slowakische Landwirtschaftsminister neuerlich die Auszahlung europäischer Gelder durch die landwirtschaftliche Zahlungsstelle. Obwohl diese Institution weit davon entfernt ist, alle Reformen zur Korruptionsbekämpfung umgesetzt zu haben.

Die langjährigen Probleme der Slowakei mit systemischer Korruption sind weithin bekannt. Seit Jahrzehnten hat das Land mit einer Korruption zu kämpfen, deren Höhe, wollte man sie in Metern ausdrücken, sogar die Hohe Tatra überschatten würde. Erschwerend kommt hinzu, dass das Slowakei in den letzten Jahren von einem Korruptionsskandal in den nächsten stolpert. So kamen mehrere Regierungen zu Fall, deren Mitglieder die seltsame übernatürliche Fähigkeit besaßen, als Verdächtige in einer Reihe von Korruptionsermittlungen aufzutreten.

Im Zusammenhang mit der Ermordung des Investigativjournalisten Ján Kuciak kam der riesiger Korruptionsfall „Dobytkár“ (zu Deutsch: Viehzüchter) ans Licht, der enthüllte, dass die landwirtschaftliche Zahlungsstelle der Slowakei (PPA) ein von ganz oben bis ganz unten durchgehend korrupter Laden ist. Die Zahlungsstelle verteilte Millionen von Euro, die zur Unterstützung der Landwirtschaft und der Entwicklung des ländlichen Raums bestimmt waren, an slowakische Mafiosi und Oligarchen und erhielt dafür Schmiergelder. Nicht umsonst wird diese Zahlungsstelle in der Slowakei abfällig als „Symbol der Korruption“ bezeichnet.

Seit Oktober letzten Jahres befand sie sich in einer einjährigen Probezeit, in der sie sich selbst reformieren sollte, da sie sonst bis zu einem Viertel der Zahlungen aus dem Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums nicht erhalten würde. Die neue Regierung behauptet zwar, die Reform erfolgreich umgesetzt zu haben, Tatsache ist aber, dass diese bisher nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie festgehalten wurden. In der Zahlungsstelle selbst sind diese Veränderungen bisher nur sehr vereinzelt angekommen, wurden noch nicht wirklich umgesetzt. Somit bestehen die meisten Probleme trotz papiermäßiger Verbesserungen weiter.

Wenn das slowakische Landwirtschaftsministerium seine Projekte mit europäischen Steuergeldern finanzieren möchte, muss es zunächst dafür sorgen, dass diese Gelder nicht wieder in den Taschen der lokalen Mafia und Oligarchen landen.

Leere Reformen

Seit ich das letzte Mal über die Slowakei geschrieben habe, hat sich manches verändert. Die slowakischen Politiker bemühen sich seit der Veröffentlichung der unerhörten Situation in der landwirtschaftlichen Zahlungsstelle und den sehr deutlichen Worten seitens der Kommission um eine Reform derselben.

Das Amt befand sich ab Oktober letzten Jahres in einer einjährigen Probezeit, in der seine Akkreditierung für die Auszahlung europäischer Gelder stark eingeschränkt war. Wäre die Reform der PPA nicht erfolgreich verlaufen, so hätte die Slowakei diese Zulassung im schlimmsten Fall vollständig verloren, was wiederum bedeutet hätte, dass es dann keine einzige zugelassene Institution gegeben hätte, die Subventionen an slowakische Landwirte auszahlen könnte.

In der Zwischenzeit beschloss der erst im Juni gewählte neue Landwirtschaftsminister Samuel Vlčan bei seinem Amtsantritt im September, alle anhängigen Subventionsanträge auszusetzen, damit das Ministerium den fehlenden europäischen Beitrag nicht aus der eigenen Tasche bezahlen muss.

Die Kommission hat nämlich endlich entschieden, sich mit der Situation in der Slowakei zu befassen und beschränkte in diesem Zusammenhang die Höhe der seitens der PPA auszahlbaren Agrarsubventionen. Aufgrund der enormen Fehler bei den Agrarsubventionen, die im Fall Dobytkár (Viehzüchter) aufgedeckt wurden, wird die Kommission 25 % ihrer Subventionen erst dann an die Slowakei auszahlen, wenn der Staat garantieren kann, dass das Geld nicht in den Taschen von Oligarchen landet.

Seitdem sind in der Zahlungsstelle mehr als 1.200 Beihilfenanträge von Landwirten eingegangen, die auf ihre Bearbeitung warten. Seit Sommerbeginn hat die Agentur damit Fördermittel in Höhe von mehr als 60 Millionen Euro zurückgehalten.

Zur Wiedererlangung ihrer vollständigen Akkreditierung musste die Agentur insgesamt
72 Maßnahmen und Mechanismen einführen, die den Diebstahl von EU-Geldern und jegliche Korruption bestmöglich verhindern. Nach Angaben des neuen Ministers ist dies im Oktober dieses Jahres gelungen.

Der Haken an der Sache: ein Großteil der Maßnahmen existiert nur auf dem Papier, weshalb sich die Kommission weigert, den aktuellen Zustand der Agentur als ausreichend anzuerkennen und eine Verlängerung der Probezeit um 4 Monate fordert.

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Mangelndes Vertrauen in die Agentur aufgrund bestehender Mängel

Die Mängel in der PPA wurden letzten Montag in einer Sitzung des Haushaltskontrollausschusses (CONT), dem auch ich angehöre, mit Vertretern der Kommission, OLAF und dem slowakischen Landwirtschaftsminister Samuel Vlčan besprochen. Wir haben Herrn Vlčan zu den bisherigen Verbesserungen in der PPA gratuliert, ihm aber auch zahlreiche, weiterhin existierende Mängel aufgezeigt, die einer umgehenden Akkreditierung derzeit noch im Wege stehen.

Die slowakische Regierung nimmt die OLAF-Empfehlungen nach wie vor nicht sonderlich ernst und hat bisher keine einzige dieser umgesetzt. Bei der Abgabe wichtiger Dokumente an OLAF hatte die slowakische PPA deutliche Verspätung. Zudem waren diese Dokumente mangelhaft. Hinzu kommen massive Veränderungen im Personalbereich, und zwar sowohl auf Führungsebene als auch bei den sonstigen Mitarbeiter·innen, was die Zusammenarbeit mit anderen Behörden derzeit auch nicht gerade einfacher macht.

Bemerkenswert, um nicht zu sagen mysteriös, ist auch, dass die Führungsriege der Agentur trotz aller Probleme, mit denen die PPA konfrontiert ist, und trotz ihrer weithin bekannten Korruptionsanfälligkeit Gehaltserhöhungen erhalten hat.

Die Agentur hat zwar mittlerweile begonnen, ein wichtiges Instrument der Kommission zur Korruptionsbekämpfung zu nutzen, das allerdings noch nicht ordnungsgemäß funktioniert, weil die erforderlichen Daten weder in ausreichender Menge noch in der erforderlichen Qualität bzw. Übersichtlichkeit hochgeladen wurden. Im Gleichschritt mit der Digitalisierung reduziert die PPA die Zahl der sogenannten Überschneidungen, also die Anzahl jener Flächen, für die von mehreren Bewerbern gleichzeitig Anträge eingebracht werden. Ausreichend ist dies aber bei Weitem nicht.


Amt für Korruption

Auf meiner Website informiere ich laufend über die Causa „Dobytkár“ (zu Deutsch: Viehzüchter). Kurz zusammengefasst geht es in diesem Fall um die Verteilung von Geldern aus dem europäischen Haushalt in Form von Direktbeihilfen an slowakische Landwirte durch die PPA, die seit ihrer Gründung im Jahr 2004 über 12 Milliarden Euro umverteilt hat. Und genau diese Umverteilung erfolgte mittels eines massiven Betrugssystems. Im Gegenzug für enorme Bestechungsgelder wiesen Beamte der PPA die eigentlich für Kleinbauern bestimmten Subventionen geschickt der lokalen Mafia und sonstigen Oligarchen zu. Darüber hinaus ergab eine kürzlich durchgeführte eingehende interne Prüfung des Amtes, dass bei gut 60 % der geprüften Fälle (Aufrufe, öffentliche Auftragsvergaben usw.) Korruption im Spiel war.

Nicht nur in der Slowakei, sondern in allen EU-Mitgliedstaaten muss der Schutz dieser Zahlungsstellen vor Korruption jedenfalls gewährleistet werden. Immerhin verteilen diese Zahlungsstellen rund 80 % des europäischen Budgets für die einzelnen Projekte. Dies ist besonders für jene Agenturen wichtig, die Gelder aus Agrarfonds verteilen. Sie machen ein Drittel des europäischen Haushalts aus und die Agenturen hatten aufgrund der Zurückhaltung der Kommission in diesem Jahr mehr Macht und Flexibilität bei der Verteilung der Subventionen. In Risikoländern wie der Slowakei und auch Tschechien drohen aufgrund der vorliegenden Intransparenz Unsummen an die lokale Mafia und diverse Oligarchen zu fließen.

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Und weiter?

Ich schätze die Bemühungen der Slowakei und des slowakischen Landwirtschaftsministers sehr, dieses Amt wieder zu einer angesehenen Institution zu machen, die bedenkenlos mit der Verteilung der europäischen Gelder an diejenigen betraut werden kann, für die sie tatsächlich vorgesehen sind, Sie müssen sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die Reform nur dann etwas bewirken, wenn sie tatsächlich umgesetzt werden. Solange sie lediglich auf Papier bestehen, bringen sie wenig bis gar nichts.

Die Kommission sollte daher sicherstellen, dass das neue Amt ausreichend transparent arbeitet und alle Fälle von Subventionsbetrug rechtliche Folgen nach sich ziehen. Die Mitgliedstaaten sollten daher zur Veröffentlichung einer Liste der Endbegünstigten von Subventionen verpflichtet werden, die auch maschinell lesbar bzw. auswertbar ist. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz haben wir die Chance, bis zu 90 % aller Subventionsbetrügereien aufzudecken, anstatt bisher nur 5 %. Neuerdings wird die Europäische Staatsanwaltschaft, die Korruption in den Mitgliedstaaten untersucht, nun auch bei Verdacht auf Untätigkeit lokaler Institutionen ermitteln und verfolgen können. Weitere Vorschläge dazu, wie sichergestellt werden kann, dass EU-Gelder nicht in den Taschen der jeweiligen lokalen Mafia oder diverser Oligarchen landet, können Sie in einem meiner älteren Artikel nachlesen.