Die 400 Millionen von Babiš in Frankreich Wie so etwas künftig verhindert werden kann

20.10.2021
Die neue Pandora Papers-Causa enthüllte den größten Finanzskandal dieses Jahrhunderts. Neben dem tschechischen Premier Andrej Babiš finden sich dort weitere rund 100 Milliardäre, 300 Personen des öffentlichen Lebens sowie 40 führende Politiker aus aller Welt. Was können wir tun, um Massenbetrug und Korruption durch die Oligarchen der Welt zu verhindern?

Am Sonntagabend erschütterten die Medien die ganze Welt mit einer schwerwiegenden Nachricht. Dank der Zusammenarbeit von über 600 Investigativjournalisten weltweit kam die Causa der sogenannten Pandora Papers ans Licht, bei der es sich um das größte Datenleck von Offshore-Unternehmen in der Geschichte handelt. Mehrere Terabyte an Daten enthaltende Dateien geben Aufschluss über Steuervermeidungs-, Steuerhinterziehungs- und Geldwäscheaktivitäten, die diverse Marionettenfirmen in Steueroasen für weltweit führende Politiker, italienische Mafiosi und prominente Musiker erledigen.

Wie die Plattform investigace.cz informiert, wird auch der tschechische Premier Andrej Babiš im Pandora Papers-Bericht genannt. Damit hat dieser nun neben seinem enormen Interessenskonflikt ein weiteres Problem. In seinen Offshore-Gesellschaften wurden fast 400 Millionen Kronen, für die er mehrere Grundstücke samt Luxusschlösschen an der französischen Riviera und in der berühmten Stadt Cannes erwarb, gewaschen oder zumindest nicht entsprechend steuerlich veranlagt.

Woher hatte er dieses Geld? Wie viele Offshore-Gesellschaften verheimlicht Andrej Babiš noch vor uns? Wie ist es möglich, dass das nicht früher entdeckt wurde?

Die Europäische Union engagiert sich schon seit langem im Kampf gegen Betrug, Korruption und Geldwäsche.

In den letzten Jahren haben sich die Vorschriften im Bereich der Geldwäschebekämpfung und der gemeinsame Standard für die Berichterstattung über den automatischen Austausch von Steuerinformationen weltweit und auf europäischer Ebene verbessert. Wie aber aus den jüngsten Nachrichten ersichtlich, reicht das bei Weitem nicht.

Was kann diesbezüglich überhaupt getan werden?

Kurzum, die Piraten im Europäischen Parlament erarbeiten seit mehreren Jahren Vorschläge dazu, wie derartige Probleme wirksam verhindert werden können. Europa braucht vor allem ein standardisiertes, interoperables, digitales Überwachungssystem, das es der Öffentlichkeit ermöglicht, den Umgang mit öffentlichen Geldern und politisch exponierten Personen im Auge zu behalten. Ein solches System sollte Informationen über die Endbegünstigten von Unternehmen und Tochtergesellschaften enthalten und mit aktuellen Unternehmensdatenbanken verknüpft sein.

Transparente, öffentlich zugängliche Daten helfen den Haushaltskontrollbehörden, Korruption oder Betrug in bestimmten Fällen aufzudecken und gegebenenfalls zu verfolgen. Dies sollte auch für politische Parteien gelten, die beispielsweise in Tschechien dank den Bemühungen der Piraten nur transparente Bankkonten haben dürfen. Das lässt sich allerdings nur erreichen, wenn die Mitgliedstaaten untereinander und mit den europäischen Institutionen uneingeschränkt kooperieren.

Babiš, der Demagoge

Bedauerlicherweise sind Interessenskonflikte und Andrej Babiš ebenso unzertrennlich wie das berühmte Schauspieler- und Schriftsteller-Duo Voskovec und Werich – keiner von ihnen ist ohne den bzw. das andere vorstellbar. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich Andrej Babiš, der seit nunmehr 4 Jahren Regierungschef ist und davor bereits langjähriges Regierungsmitglied war, dazu entschlossen hat, sein Volk zu belügen. Anders lässt sich das nicht bezeichnen, wenn er sein erworbenes Vermögen und seine Einkommensverhältnisse nicht vollständig in seinen Vermögenserklärungen offenlegt. Nach Firmen sucht man in seinem Geldwäschesystem nämlich vergeblich.

Während seiner Amtszeit als Finanzminister befasste sich Andrej Babiš auch mit der EU-Gesetzgebung gegen Steuerbetrug, die er mit allen Mitteln gegen die Mitgliedstaaten und die Kommission zu blockieren versuchte. Da Babiš zu diesem Zeitpunkt bereits eine Reihe von Offshore-Gesellschaften besaß, befindet er sich in Wahrheit nicht nur in einem, sondern in zwei Interessenkonflikten. Demnächst steht eine Überprüfung der europäischen Finanzvorschriften an, bei der wir uns gerade wegen solcher Fälle klar für eine Verschärfung der Gesetze gegen Interessenkonflikte aussprechen müssen. Insbesondere als ein Land, dem wegen des Interessenkonflikts seines Premiers die Aussetzung europäischer Subventionen droht.

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Ein übersichtliches und transparentes System? Durchaus!

Die mangelnde Transparenz im Umgang mit öffentlichen Geldern ist ein großes Problem, das die Europäische Union bisher nicht vollständig gelöst hat. Allein für die Regionalentwicklungsfonds sind derzeit die Daten zu den jeweiligen Empfängern europäischer Gelder über mehr als 300 regionale, nationale und interregionale Register verstreut. Dabei ist es schwierig, die wahren Eigentümer der Unternehmen ausfindig zu machen – sie verstecken sich hinter einem äußerst undurchsichtigen Geflecht kleiner und kleinster Firmen. Durch diese Unübersichtlichkeit lässt sich die Identität der Eigentümer sehr gut verbergen. Daher weiß die Kommission manchmal auch nicht, wohin ihr Geld letztlich fließt.

Schlimmer noch: Die uns zur Verfügung stehenden Daten sind in der Regel inkonsistent, wichtige Teile fehlen gänzlich oder sind einfach unleserbar. In Länder wie Ungarn werden zum Beispiel Aufträge und Förderanträge sorgfältigst erfasst, wobei in diesen allerdings nur ein Minimum an Informationen angeführt ist, weshalb sämtliche Daten letztlich völlig nutzlos sind. Bei den Unterlagen zu Darlehen zwischen den Unternehmen von Andrej Babiš untereinander war es ganz ähnlich – laut dem Portal investigace.cz finden sich in den Darlehensverträgen Fehler und wesentliche Informationen wurden in diesen einfach ausgelassen.

Zudem ist es äußerst schwierig, Daten in öffentlichen Registern zu suchen, da diese jeweils nur wenige Jahre nach den betreffenden Transaktionen aufliegen. In der reformierten Gemeinsamen Agrarpolitik ist festgelegt, dass Daten mindestens 2 Jahre lang öffentlich einsehbar sein müssen, während die europäische Geldwäscherichtlinie 5 Jahre vorsieht. Die tschechischen Behörden, wie bspw. der von Babiš kontrollierte Staatliche Agrar-Interventionsfonds SZIF, löschen alle Daten sofort nach Ablauf der Mindestfrist.

Wie kann man so etwas lösen? Viel einfacher als Sie denken.

Wir müssen eine einheitliche europäische Datenbank für mit öffentlichen Mitteln durchgeführte Projekte und ein Register der letztlichen Eigentümer einrichten. Im Europäischen Parlament setze ich mich dafür ein, dass innerhalb von zwei Jahren ein solches System geschaffen wird, in dem die Daten über Transaktionen und Eigentümer in standardisierter Form erfasst werden. Natürlich muss eine solche Datenbank absolut transparent sein und auch auf Open-Source-Prinzipien beruhen. Ferner sollten diese Daten mindestens 10 Jahre lang öffentlich zugänglich sein – allein deshalb, weil Betrug oder Korruption nicht immer gleich entdeckt werden. Wir müssen sicherstellen, dass ein solches System nicht nur für die Behörden der Mitgliedstaaten, sondern auch für Journalisten und die breite Öffentlichkeit zugänglich ist. Darüber hinaus könnte ein standardisiertes System auch andere Instrumente der Kommission oder beispielsweise künstliche Intelligenz zur Aufdeckung von Betrugsfällen nutzen.

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Und weiter?

Zudem müssen die Einhaltung der europäischen Standards der Anti-Korruptionsrichtlinien gewährleistet und nicht funktionierende Richtlinien verbessert werden. Sie werden nämlich nicht von jedem Land eingehalten, vielen sind sie sogar völlig gleichgültig. Nur 14 der 27 Mitgliedstaaten haben fortschrittliche nationale Strategien zur Korruptionsbekämpfung – Tschechien hat seine noch nicht einmal der Kommission vorgelegt. Dadurch ist die internationale Zusammenarbeit zwischen Staaten oft ineffektiv, was auch die Verfolgung von Korruption schwieriger macht. Dabei haben wir eine ganze Reihe von Tools zur Hand, die eine Änderung zum Besseren bewirken können!

Die Europäische Union verfügt beispielsweise über ein fast ungenutztes System namens EDES (Early Detection and Exclusion System – Frühwarn- und Ausschluss-System), das EU-Subventionsbetrüger aufspüren kann. Dieses System ist sehr nützlich, nicht nur wegen der schwarzen Liste, die es in Bezug auf Firmen erstellt, die sich ungerechtfertigt aus dem EU-Haushaltsbudget bedient haben. Wäre Agrofert ein paar Jahre früher in diese Liste aufgenommen worden (das Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) hat bereits vor geraumer Zeit nachgewiesen, dass es sich bei dem Storchennest um einen Betrugsfall handelt), so stünden wir heute nicht vor der Situation, dass jährlich Hunderte Millionen Euro in dieses Projekt fließen.

Eine ähnlich wichtige Rolle bei der Korruptions- und Betrugsbekämpfung könnte die neue Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) unter der Leitung der rumänischen Richterin und Antikorruptionsexpertin Laura Kövesi spielen. Eben die EPPO, die nicht nur bei der Untersuchung und Verfolgung von Straftaten zu Lasten des EU-Haushalts mit anderen Behörden zusammenarbeitet, könnte in Zukunft sehr hilfreich sein. Wenn sie nämlich beweisen kann, dass es tatsächlich um massive Steuerhinterziehung geht, hat sie jedes Recht, diese zu verfolgen und zu bekämpfen.

Andrej Babiš wird uns allen noch eine Menge zu erklären haben. Er hat sowohl die tschechischen als auch die europäischen Bürger bis zum Anschlag beraubt und den guten Ruf der Tschechischen Republik ruiniert. Wie auch immer die diesjährigen Wahlen ausgehen werden, eines ist klar: Wenn wir diesem Land wirklich seine Zukunft zurückgeben wollen, müssen wir zunächst dafür sorgen, dass sie uns nicht vor unseren Augen von europäischen Oligarchen gestohlen wird.